Mel II
Luzifer stieg
die lange Treppe herunter und war sprachlos. Vieles hatte sich in seiner Abwesenheit
verändert und er bemerkte den weiblichen Charakter seines Heimes. So hatte er
sich seine Höhle eigentlich nicht vorgestellt. Sie war so... nett! Wo blieben
der karge Stein und das Dämonische, das seinen Charakter symbolisieren sollte?
Wo waren seine geliebten heißen Quellen? Mel bekommt etwas zu hören, wenn er
sie findet, dachte Luzifer noch bei sich, als er die Treppen inzwischen stocksauer
hinunterstapfte.
"Also, so riesig habe ich mir das nicht vorgestellt!" Erst jetzt wurde Luzifer
wieder bewusst, dass er ja Ina mitgebracht hatte und schlagartig wurde ihm bewusst,
das die Damen in der Überzahl nun sind. Na dann, Gute Nacht!
"Lu!" Tönte es von unten. Mel rannte auf die beiden zu und winkte dabei heftig.
Luzifer drehte sich um, aber Niemand war hinter ihm. Er schaute noch einmal
- wer zum Teufel (äh... das war er ja selbst) ist dieser Lu? "Lu, Schatz, du
hast aber lange auf dich warten lassen!" Mel schlang die Arme um Luzifer und
drückte ihm die Luft weg. Nachdem sie ihn wieder losgelassen hatte, wurde ihr
Gesicht schlagartig wütend. Warum ließ er sie auch in dieser Einöde so lange
versauern. Schallend gab sie Luzifer eine Ohrfeige und eine Strafpredigt, die
sich gewaschen hatte (Übung hatte sie inzwischen durch die drei Teufelchen).
Völlig verdattert ließ Luzifer alles geschehen, so hatte er sich seine Heimkunft
nicht vorgestellt und er musste erst einmal wieder zu sich finden, bevor er
darauf überhaupt reagieren konnte. Inzwischen führte Mel ihren Indianertanz
weiter auf und warf ihm so allerhand an den Kopf. "Sag mal." Unterbrach er Mels
Redeschwall, "wo hast du die ganzen Ausdrücke her? Du bist schließlich die letzten
tausend Jahre nicht von hier weg gekommen?"
"WAS?" Das war das I-Tüpfelchen. Sie, Mel, schmorte nun schon eine Ewigkeit
hier unten und er treibt sich in der Weltgeschichte umher. Als wenn das nicht
schon schlimm genug wäre, der Idiot fragt auch noch so dämlich. Schließlich
hat der Volltrottel doch die Abmachung mit Azrael ausgehandelt, so dass die
schlechten Seelen hier in der Höhle landen.
"Meine liebe Mel! Ich kann Gedanken lesen und nur damit du es weißt, ich habe
schwer gearbeitet und bin zufälligerweise KEIN Voll-idiot!" Unterbrach Luzifer
Mels Gedankengänge, die wurde prompt rot und hielt zum ersten Mal ein. Eine
günstige Gelegenheit für Luzifer, ihr seine zweite Oberseele zu präsentieren:
Ina. "Da wir gerade von Arbeit reden. Ich habe dir wie versprochen eine Hilfe
mitgebracht. Ihr Name ist Ina und sie wird dich bei der Aufsicht der Seelen
unterstützen. Nur so am Rande bemerkt, WO SIND MEINE SEELEN?" Luzifer sah sich
schon um seine Seelen und seine Macht betrogen, als Mel ein desinteressiertes
Gesicht machte und beiläufig erwähnte, die Aufsicht könne Ina ganz überlassen
werden, da die Seelen ein rüder, lauter Haufen wäre, der sie nur bei ihren Nachforschungen
hindere. "Und wo sind sie nun?"
"Ich habe sie mit meinen Dreien in die Unterwelt geschickt. - Wie findest du
den Namen eigentlich, Lu? Unterwelt hört sich so poetisch und bedeutungsschwer
an. Ich finde es passt zu dem Loch unter dieser Höhle." Mel wendete sich jetzt
Ina zu. "Sag mal Kleine, wie findest du eigentlich unsere Höhle?" Erwartend
schaute sie Ina an. "Diese... äh... Hölle ist sehr interessant."
"Nicht Hölle," berichtigte sie Mel, "Höhle mit langem Ö und kurzem L."
"Sag ich doch, Hölle!" Widersprach Ina.
"Nicht Hölle - Höhle!"
"Hölle!"
"Höhle!" Luzifer drehte sich genervt weg: Weiber! Da hatte er nichts mehr zu
melden. Sollen sie ihren Streit doch hegen und pflegen, ihm war der Name egal,
obwohl Hölle gar nicht mal so ein schlechtes Wort war. Das war sogar ein höllisch
guter Ausdruck. Aber bevor er Inas Partei ergriff, sollten sich die beiden ruhig
ein wenig fetzen. Er schaute sich erst einmal sein Heim an und dann waren ja
noch Mels geheimnisvolle Andeutungen. Wer zum Beispiel waren ihre drei? Natürlich
wurde diese Frage prompt beantwortet, als lautstark drei kleine Jungs mit Ziegenhörnern
und Schwanz in die Höhle stürmten und ein Lärm für zehn Leute veranstalteten.
Sie warfen sich dabei etwas kleines zu und es schien ihnen ungeheuren Spaß zu
machen. Mel wurde auch von den Dreien abgelenkt und winkte ihren Streit einfach
ab, um sich um die Teufelchen zu kümmern.
"Mephisto, Lephisto und Sephisto!" Schrie sie durch den gesamten Raum, so dass
Luzifer und Ina die Ohren klingelten. "Wie oft habe ich euch gesagt, dass ihr
nicht mit dem Essen oder meinen Versuchsobjekten spielen sollt. Jetzt seid lieb
und legt die Blindschleiche zurück, oder ihr bekommt heute abend keinen Schlangenauflauf!"
Als wäre nichts passiert wendete sich Mel nun zu Luzifer um, "Ich möchte dir
meine drei Teufelchen vorstellen. Ich bilde sie in der Zauberei aus. Sie sind
ein schiefgegangener Zauber, aber sehr nützlich, wenn sie nicht gerade in Schwierigkeiten
geraten." Luzifer war mal wieder sprachlos. Mel sagte die Wahrheit, aber ein
neues Wesen erschaffen, das konnte nur Gott, oder? Schnell fing er sich und
schlug seinen normalen Ton an. Mel ist einfach zu selbstständig geworden und
er musste sie wieder mehr einbinden. Sonst könnte es ja sein, dass sie vielleicht
zu Gott wechselte.
"Mel, ich finde deine Arbeit sehr vernünftig, und da dir das Zaubern ja zu liegen
scheint, wäre es wohl angebracht, die Hölle und die Unterwelt Ina zu überlassen,
ihr sadistischer Charakter wird bestimmt sehr große Begeisterung unter den verlorenen
Seelen hervorrufen, und dir die obere Welt zuzuweisen. Ich meine, du kannst
mit mir neue Seelen einfangen und jede Menge Spaß haben. Hier würdest du dich
doch nur langweilen." Das passte Mel überhaupt nicht. Sie wollte ihre Fähigkeiten
ausbauen und erst dann ihre Kraft für Luzifers Zwecke benutzen. Außerdem gefiel
ihr die Rolle der Lehrerin und sie dachte eher daran, in Zukunft die neue Generationen
an lebendigen Seelen in der dunklen Magie zu unterweisen. Und Ina beherrschte
bestimmt genauso wenig Magie, wie sie am Anfang. Natürlich verfolgte Luzifer
ihre Gedankengänge und er fand die sogar noch besser als seine, aber dass konnte
er unmöglich zugeben. Also musste eine Lösung für beide her, die kam unerwartet
von einem dieser Springbälle mit Schwanz.
"Sag mal Papa..."
"Nenn mich nicht Papa!"
"Sag mal Paps," fing Mephisto erneut an, "warum überlässt du Mama..."
"Nenn mich nicht Mama!" Unterbrach ihn Mel.
"Warum überlässt du M...el nicht die Hölle und eine Hälfte der oberen Welt.
Dann kann sie dir oben helfen und uns hier unten hin und wieder unterrichten,
schließlich sind wir erst fünfhundert Jahre alt und müssen noch viel lernen."
Eigentlich keine schlechte Idee und mit der Zeit, könnte er sie zur Oberzauberin
ernennen und die gesamte Verwaltung der lebenden Seelen ihr überlassen, dann
hätte sie bestimmt genug zu tun, um nicht auf dumme Ideen zu kommen. Für die
obere Welt würde er sich bei Gelegenheit eine dritte Seele besorgen. Doch das
hat noch Zeit. Erst einmal sollte Mel die Welt kennen lernen und sich auf den
neusten Stand der Dinge bringen. Sein Entschluss stand fest: Ina soll etwas
Ordnung in die Unterwelt bringen und ihren Hang zur Folter ruhig ausleben und
Mel würde ihn eine zeitlang begleiten. Sie soll sich in dieser Zeit ein System
aufbauen, das ihr ermöglicht seine magischen Anhänger sicher zu verwalten und
anzuleiten. Damit wären die zukünftigen Pläne geschmiedet - frisch ans Werk!
"Gehen wir Mel, das Essen kannst du Ina überlassen, sie wird sich bestimmt nicht
selbst vergiften wollen, also sind drei Teufelchen in den besten Händen." Luzifer
drehte sich um und ging voraus.
"Sag mir noch eins Ina, ist dein Name auch abgekürzt?" Fragte Mel während sie
ihre Kleidung der von Ina anpasste, um oben nicht aufzufallen.
"Ina kommt von Katharina, doch ER meinte, dass wäre zu lang."
"Bei mir war's genauso, pass gut auf dich auf, die drei Kleinen können ganz
schön nervig sein!" Rief noch Mel, bevor sie Luzifer folgte. Sie hörte nicht
mehr Inas Worte darauf, denn sonst hätte sie sich um ihre Schützlinge vielleicht
mehr sorgen müssen. So lief sie frohen Herzens wieder einmal Luzifer hinterher
und sie brannte schon vor Aufregung, da bestimmt jede Menge Abenteuer auf sie
warteten.
© 2000 by Diana Eschler