Belial II
Eine Revolution muss
gut geplant sein, auch wenn man eine Revolution anzettelt, die
scheitern soll. Schließlich wissen ja nur er und Bael, dass die
Revolution nur als Grund dienen soll, um endlich wieder bei
Luzifer zu sein. Belial gönnte sich ein verträumtes Seufzen,
bevor er wieder sich zusammennahm und das Versteck betrat. Er
hatte eine Menge Engel bereits für sich gewinnen können. Es
waren viele mit der Gesamtsituation unzufrieden. Jetzt, wo die
Engel immer mehr Macht bei sich entdeckten und lernten die
Kräfte anzuwenden, benötigten sie der Führung und neuer
Aufgaben, die Gott ihnen nicht gab. Es musste einfach Einer mal
aufstehen und dieser eine Engel war er, Belial. Freundschaftlich
klopfte er im Vorübergehen einigen Engeln auf die Schulter und
begrüßte besonders engagierte Anhänger während er zur Mitte
des Raumes strebte. Angekommen räusperte er sich und begann
leise seine Ansprache. Sofort war es totenstill im Raum, damit
auch jeder seine Worte mitbekam. Es war Belial manchmal
unheimlich, soviel Macht über andere zu haben, doch meistens
genoss er seine Überlegenheit den anderen gegenüber nur
maßlos. Das war das Leben, wofür er geboren war und er würde
an der Seite Luzifers noch zu viel mehr Macht und Ruhm gelangen.
"Meine Brüder, wir sehen Tag ein und Tag aus, wie sich die
niedrigeren Engel aus der untersten Triade immer mehr in
Positionen schleichen, die eigentlich uns vorbestimmt sind. Die
Unterste Triade ist nur zum Schutz der Menschen und deren
Erungenschaften erschaffen worden. Aber was tun sie nun? Sie sind
Befehlshaber der Heerscharen geworden, Sie überbringen die
Botschaften Gottes und betätigen sich als Lehrmeister. Sie, die
nicht geboren wurden, um über andere zu herrschen, erschwindeln
sich die Macht und bestimmen über uns und unsere Aufgaben. Diese
niederen Engel, die sich wie Schatten in unsere Reihen schleichen
und dann unsere Posten besetzen, die noch von Gott gefördert
werden. Das Übel unseres Geschlechts. Meine Brüder, ich weiß,
ihr habt bereits erraten, wen ich meine..."
Belial machte eine kleine Pause. "Ich rede von Erzengeln,
die sich in die Gunst Gottes geschlichen haben und wir müssen
jetzt unter ihrem Joch leiden!" Die Menge murmelte unruhig
ihre Zustimmung. Jeder drehte sich zu seinem Nachbarn, um
zustimmend ihm zuzunicken. Der Kessel fing langsam an zu kochen.
"Recht hast du!"
"Erst gestern habe ich Uriel gesehen, der um Gott
herumscharwenzelte!" Einzelne meldeten immer mehr Vorfälle,
die sie als ungerecht interpretiert hatten. Die Zurufe wurden
immer lauter. "Weg mit den Erzengeln!" "Mehr Macht
den Mächten!"
Belial hörte sich das eine Weile an und ließ die Menge in Fahrt
kommen bevor er beschwichtigend die Arme hob. Langsam wurde es
wieder still im Raum.
"Aber meine Brüder," begann er wieder im ruhigen Ton.
"Es reicht nicht, die Erzengel auf Ihre Plätze zu
verweisen. Sie werden immer und immer wieder versuchen uns zu
untergraben und unsere Arbeit und Macht zu rauben. Sie können es
doch nur, weil Sie ob erster Stelle Zuspruch erhalten. Wie wollen
wir dagegen denn ankommen?" Belial schrie fast die letzte
Hälfte seiner Rede heraus.
Stille machte sich breit und man konnte die Köpfe beinahe
rauchen sehen.
"Wenn Gott diese Ungerechtigkeit zulässt und uns nicht
unterstützt, warum sollten wir dann noch länger Gott
folgen?" Amon war vorher von Belial strikt instruiert
worden, wann er diesen Gedanken in die Köpfe sähen sollte. Sein
Timing war mal wieder perfekt. Der schmächtige Engel war eher
unscheinbar, aber Amon mit seiner natürlichen Fähigkeit zur
Manipulation der Massen war ein unverzichtbarer Verbündeter in
Baels Plan. Natürlich wiesen als erstes alle diesen Gedanken
weit von sich, aber er schlich sich jetzt immer wieder in ihre
Köpfe. Waren sie denn nicht besser mit einem anderen Anführer,
einem anderen Gott, dran?
"Kann man denn Gott absetzen?" Shax, ein
Neuankömmling, überlegte laut, er hatte Belial mit Begeisterung
zugehört und war bereits jetzt schon einer seiner größten
Anhänger. Ihm wollte nur nicht in den Kopf wie Engel der
Mittleren Triade Gott und damit auch alle Engel der Obersten
Triade und die verhassten Erzengel den Garaus machen konnte.
Belial grinste ihn an. Natürlich hatte er die Frage bereits
erwartet und dank Bael hatte er auch schon den perfekten Plan.
"Das Wichtigste ist der Überraschungsmoment. Wir müssen
Gott angreifen, wenn er allein auf sich gestellt ist. Wir sind
nicht schwach. Wir sind die stärksten und erfahrendsten Krieger
unserer Kaste und wir sind mächtige Zauberer. Wenn Gott keine
Unterstützu ng hat, werden wir erfolgreich sein. Ist der
Schlange erst einmal der Kopf abgeschlagen, werden sich die
Erzengel in Furcht vor unserer Macht verkriechen und wir
bestimmen den neuen Führer.
"Ja," schallte es von Amon. Er stieß seine Faust in
die Luft und jubelte Belial zu. "Ja! Ja!" Der Engel
ermutigte andere um sich herum es ihm gleich zu tun und schon
nach kurzer Zeit waren alle Fäuste zum Sieg in die Luft
gestreckt.
"Sie haben sich
einen Sündenbock ausgesucht."
"Ja, sie neiden den Erzengeln ihre Stellung."
"Warum gibst du eigentlich Engeln der Untersten Triade
soviel Macht?" Gott grinste Gabriela an.
"Tue ich doch gar nicht. Jede Engelskaste ist anders und ist
auf ihrem Gebiet führend. Obere Triade, Mittlere Triade,
Unterste Triade - ich hätte die Einteilung auch in Blau-, Gelb-
und Rotklassen aufteilen können. Es ist nicht wichtig. Und die
Erzengel sind deshalb scheinbar so mächtig, weil sie die meisten
Engel unter sich haben. Die Schutz- und Botenengel sind eben in
der einfachen Engelklasse. Die anderen Engelklassen sind eher
zahlenmäßig gering und viele Engel der Obersten Triade führen
sich wie Engel der Untersten Triade auf.
Besonders ihr Seraphim und die Throne kennt euch nur
untereinander. Die anderen Kasten wissen nicht um eure
Identität. Gabriel würde dich doch auch nicht so
herumkommandieren, wenn er wüsste, wer du wirklich bist."
Gabriela schürzte die Lippen.
"Trotzdem scheinen die Mächte sich benachteiligt zu
fühlen."
"Das liegt nur daran, dass sie sich langweilen. Hier im
Himmel passiert doch nichts aufregendes im Gegensatz zur Erde, wo
die Engel alle Hände damit zu tun haben, den Machenschaften von
Luzifer und seinen Dienerinnen Einhalt zu gewähren." Gott
wandte sich zum Gehen. "Du solltest trotzdem so langsam
Gabriel und Michael auf die Situation aufmerksam machen. Die
Erzengel sind zwar nicht so mächtig wie die Mächte oder
Gewalten, aber dafür sind sie alle loyal und ich kann mich auf
sie verlassen. Du und deine Schwestern garantiert mir ja
dafür."
Er ließ sein Seraphim im Raum allein und Gabriela blieb zurück.
Langsam entwickelte sie einen Plan, wie sie Gabriel auf die
geplante Revolution aufmerksam machen konnte, ohne dass er ihre
Manipulation bemerkte. Beschwingt löschte sie wieder ihre Aura
und versteckte vier ihrer sechs Flügel. Als Engel der untersten
Kaste ging sie ihren Bruder suchen.
© 2003 by Diana Eschler