Moses I

Es war ein heißer Tag, die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel und ließ das Tagewerk bald zu Qual werden. Eine Herde abgemagerter Schafe suchte auf dem steinigen Boden die Reste des verdörrten Grases. Und die Sonne brannte weiter hinab. Eigentlich war es heute zu heiß zum Arbeiten, aber Luzifer konnte sich die Gelegenheit nicht ent-gehen lassen. Schon seit Jahren war er hinter ihm her. Aber immer kam etwas dazwischen. Natürlich hatte dabei Mel immer die Finger im Spiel. Was fand sie bloß an diesem Hebräer? Erst rettet sie ihm sein Leben und verschafft ihm eine königliche Ausbildung und dann findet sie auch noch die perfekte Frau für ihn. Der Kerl ist so widerwärtig glücklich, sogar bei diesem unmöglichen Wetter. Aber heute ist Luzifers große Chance. Mel hatte er mit einer kleinen Feuerkatastrophe beschäftigt. End-lich kommt er auf seine Kosten und kann Gabriel ein paar graue Haare bescheren. Feixend bereitet er alles vor. Und die Sonne brannte weiter hinab.
Moses kam den Berg hinauf, eines seiner Schafe machte sich mal wieder selbstständig und es blieb an ihm, es der Herde zurückzu-führen. Als er durch einen schma-len Berggrad schlüpfte, überwältig-te ihn ein überirdisches Leuchten. Ein toter Strauch brannte lichterloh, ohne zu verbrennen. Betäubt von soviel Schönheit fiel Moses auf die Knie. Warum passierte es ihm, was es auch war.
"Moses!" erschallte eine Stimme von überall her. Verängstigt duckte sich der Angesprochene. "Moses, bist du ein gottesfürchtiger Mann?" Angst befiel Moses. Stotternd be-jahte er diese Frage und es kostete sein ganzen Mut selbst zu fragen:
"Und wer seid ihr, Herr?" Daraufhin bauschte sich das Feuer in den blauen Himmel und loderte in zornigem Rot.
"Erkennst du nicht, wer zu dir spricht?" Luzifer machte eine Pause. Der Kerl war ja noch naiver als er annahm. Ein Kichern kam über seine Lippen, aber er unterdrückte es. Jetzt musste er ernst seine Rolle spielen, sonst würde er sich ja den ganzen Spaß selber verderben. "Ich bin der Allmächtige!" Moses war sprachlos. Warum wurde ihm diese Ehre zuteil, er, der einst sogar für den Tod eines Menschen verantwortlich war. Der Strauch sprach schon weiter. "Zögere nicht, denn du bist erwählt zu einer heiligen Mission! Dein Volk wurde von den Ägyptern versklavt und es ist an dir, sie aus den Fängen des Pharao zu befreien und es ins geheiligte Land zu führen!" An dieser Stelle unterbrach sich Luzifer erneut. Hatte er nicht ein wenig übertrieben? Nein, wenn er nicht so dick auftragen würde, wäre bei dem Trottel bestimmt nicht der Groschen gefallen.
"Wie soll ich dieses unmögliche Unterfangen erfüllen? Ich kenne den Pharao, ich bin mit ihm aufge-wachsen. Er wird nie zulassen, das ich seine billigen Arbeitskräfte befreie." Moses verzweifelte fast, als er sich des Ausmaßes bewusst wurde, die da von ihm verlangt wurde. Luzifer rollte genervt seine Augen. Wie konnte jemand nur so eine Memme sein. Anstatt sich zu freuen von einer heiligen Macht - immerhin glaubte der Trottel sein Gott sprach mit ihm - auserwählt worden zu sein, verlor er sich in unwichtigen Einzelheiten.
"Moses!" dröhnte Luzifer, "glaube an die Macht Gottes und du wirst nicht scheitern!" Da fing Moses Gesicht an zu leuchten und bereitwillig hörte er sich an, was er zu tun hatte, um ein Held zu werden. Ja ja, dachte Luzifer bei sich, wenn man den Menschen Ruhm und Ehre verspricht, werden sogar ganz hartnäckige schwach. Als krönenden Abschluss gab er Moses noch einen Stab mit dem man angeblich die Macht Gottes demonstrieren kann. Dann schickte er den verzückten Hirten wieder nach Hause.

"War das wirklich nötig?" Mel blickte zu dem sich auf dem Boden wälzenden Luzifer hinab. Der erholte sich gerade von einem sehr langen Lachanfall. "Ich meine," sprach Mel weiter, "dass du den Jungen so veralbern musstest. Er wird jetzt sich mit seiner Frau aufmachen und zum Palast des Pharao rennen. Dabei wird er sich schrecklich blamieren. Wolltest du das etwa erreichen?" Luzifer schaute sie an. War sie gar nicht wütend auf ihn? Schließlich hatte er sie mal wieder reingelegt. Oder fand sie sich endlich mit seinem Charakter ab und machte sich nur die üblichen Sorgen.
"Sag mal, bist du nicht wütend?"
"Lies doch meine Gedanken."
"Du bist die einzige, bei der ich es nicht kann! Außerdem werde ich den Trottel nicht hängen lassen. Noch nicht jedenfalls. Und du kannst mir dabei helfen." Luzifer ging auf sie zu. Jetzt waren sie schon eine Weile auf der Erde und sie konnte sich immer noch nicht mit Luzifers Humor anfreunden. Aber er hatte noch Hoffnung. "Du wirst sehen. Ein bisschen Zauber hier und da. Das wird lustig und das Schönste dabei ist, dass sie nicht die Tat Gottes preisen werden, sondern die, des Teufels.

Gabriel bebte vor Zorn. Luzifer plante auf Erden eine neue Gemeinheit und er musste tatenlos zusehen. Was dachte Gott sich dabei, ihn gewähren zu lassen. Er war über alles informiert - schließ-lich hatte er dafür gesorgt - aber anstatt die göttlichen Heerscharen sofort auf Luzifer loszulassen, legte er die Hände in den Schoß und schaute nur zu. Und das Schlimmste war wahrscheinlich, dass Gabriela sich auch noch für die Taten dieses Ungeheuers interessierte. Das Ganze gefiel ihm überhaupt nicht.
Ein Schatten legte sich über ihn. Gabriel drehte sich nicht um, er wusste, wer ihn störte. Gelassen lächelte er als er zu dem einzigen Engel sprach, der ihn überragte.
"Lange nicht mehr gesehen Michael! Was treibt dich in diesen Teil des Himmels? Ich dachte immer, du hättest im Süden genug zu tun."
"Nicht genug, um nicht von deinem kleinen Problem zu hören. Sag mal, wie oft hat Luzifer dir ein Schnippchen geschlagen?" Der Hüne lächelte unverbindlich. "Ich hätte gerade Zeit musst du wissen. Und ich habe von Gott die Erlaubnis auf die Erde hinab zu steigen, da deine süße Schwester unbedingt ägyptische Bademilch benötigt. Ich glaube, ich habe zwischendurch noch etwas Zeit, um jemanden ganz bestimmtes ein wenig zurecht zu stutzen." Gabriel drehte sich langsam um und betrachtete den muskulösen Körper seines Gegenüber. Michael war - wie sollte er das ausdrücken - er war nicht gerade helle. Aber wenn er auch Luzifers Plan nicht durchkreuzen konnte, so würde er ihm auf jeden Fall einige Schwierigkeiten bereiten. Bei der Vorstellung musste Gabriel grinsen.
"Du darfst es nicht zu offen-sichtlich tun. Aber wenn er vielleicht ein oder zweimal zufällig mit dir zusammenstößt, würdest du mir schon einen Gefallen tun." Nun musste auch Michael grinsen, er hatte verstanden.
"Wie du befielst. Heute ist Luzifers Pechtag, denn ich komme!" Damit drehte er sich schwungvoll um und ging mit wehenden Flügeln weg. Gabriel blieb allein zurück. Er glaubte, dass er nun wohl eher auf seine Kosten kommen würde als Luzifer.

"Meint ihr, wir sollten noch abwarten bis wir eingreifen?"
"Noch ist es nicht außer Kontrolle. Lass den beiden ihren Spaß."
"Wen meint ihr damit? Gabriel, Michael oder Luzifer?"
"Vielleicht meine ich auch Mel..."

© 2001 by Diana Eschler