Luzifer III

Die Kälte kroch langsam durch Mels Kleider und bald fror sie erbärmlich. Durch den übereilten Aufbruch von der Schenke, hatte sie nur ihr dünnes, viel zu knappes Kleid an. "Herr? Verzeiht meine Frage, aber ist es noch weit bis zu Eurer Unterkunft?" Luzifer sah sie ver-ständnislos an. "Unterkunft?" fragte er Mel und ahnte böses. Er wusste noch so wenig von der Menschenwelt. Vielleicht war das etwas, was wichtig war und er beging gerade den größten Fehler. "Ihr wollt doch nicht die ganze Nacht durchlaufen." Unterbrach Mel seine Gedanken. "Friert Ihr denn nicht, obwohl Ihr noch viel weniger bekleidet seid als ich?" Luzifer sah sie lange an.
Erst jetzt fiel ihm auf, wie empfindlich sie reagierte. Kalt bedeute wohl für Mel nicht das Gleiche wie für ihn. Ihm war angenehm kühl. Also blieb ihm nichts anderes übrig: Er musste einen Ort zum übernachten für sie finden. Luzifer schaute sich um, doch die Dunkelheit verschluckte den größten Teil der Umgebung. Eigentlich müsste Mel wissen wo es einen geeigneten Platz gibt. "Mach einen Vorschlag. Schließlich lebst du hier." Forderte er sie auf. Mel dachte nach. Er hatte also keine Unterkunft, aber leider fiel ihr auch nichts ein. Das Wirtshaus war der einzige Ort, der in Frage käme, nur sie glaubte nicht im Traum daran dorthin zurück zu kehren. Um ihm zu zeigen, dass es keine Unterkunft gäbe, meinte sie ironisch, der Vulkan wäre in der Nähe. Dort ist es auch nachts noch kochendheiß.
"Das ist es!" Luzifer war ganz außer sich vor Freude. "Das Gegenstück zum Himmel, oh Mel, du bist ein Schatz!" Melissa errötete leicht und erkannte, dass sie im Begriff war sich zu verlieben. Er sah ja auch sooo gut aus. Melissa beeilte sich Luzifer zu folgen und ihm dann den Weg zu weisen. Der Aufstieg war beschwerlich und auf halber Höhe hielten sie an. Melissa war inzwischen heiß vor Anstrengung und sie schwitzte. "Wenn ich nicht bald ins Warme komme, werde ich mich erkälten." wandte sich Melissa an Luzifer. "Nun, dann gehen wir doch ins Warme." Oh, diese Männer, stellen sich alles so leicht vor! Melissa verlor allmählich die Geduld mit ihrem neuen Herrn. "Und wie wollt Ihr DAS anstellen?" Luzifer verzog gereizt das Gesicht. Was wusste er? Nur weil er es wollte würde sich die Erde bestimmt nicht öffnen und ihn eine warme Höhle mit heißen Quellen und Fußbodenheizung einladen. Plötzlich bebte die Erde und die beiden wurden auf die Erde geworfen und durchgeschüttelt.
Offenbar lagen sie direkt über dem Ursprung des Bebens. Vor ihnen öffnete sich die Erde zischend und heißer Dampf stieg in den Nachthimmel. Langsam ebbte das Beben ab. Luzifer und Melissa blieben noch eine Weile starr liegen, nur um sicher zu gehen, dass es vorbei war. "Dieser Vulkan hatte noch nie so etwas getan." Melissa war wie betäubt. Sie hatte ihr ganzes Leben am Fuße eines Berges verbracht, dessen Geister seit Jahrhunderten schliefen und nun waren sie wieder erwacht? Luzifer dagegen war gespalten. War dies nun sein Werk oder natürlichen Ursprungs? Langsam ging er auf die neu entstandene Spalte zu. Sie war eng, aber für einen Menschen ließ sie genügend Platz. Luzifer zwängte sich durch und verschwand. Mel bekam es mit der Angst zu tun. Er konnte sie doch nicht so alleine lassen.
Und wenn sie jetzt angegriffen würde? Und wenn die Spalte sich wieder schließt? Schnell folgte sie Luzifer. Als sie die Spalte hinter sich gelassen hatte, sah Melissa sich überwältigt um. Die Spalte war ein Eingang zu einer riesigen Höhle deren Wände aus schwarzer erstarrter Lava bestanden. Von der Decke hingen kunstvolle Gebilde des Schwarzen Gesteins. Diese Höhle war riesig. Im hinteren Teil schienen noch mehrere Gänge tiefer in den Vulkan zu führen, aber genau erkennen konnte man nur die Finsternis. Luzifer schien zum gleichen Ergebnis gekommen zu sein. Er breitete die Arme aus und rief in die Höhle: "Licht." Nichts geschah. "Irgendetwas mache ich falsch.
Die Höhle entspricht genau meinen Vorstellungen, aber mit dem Licht funktioniert es nicht." Luzifer zweifelte an sich selbst. War er wirklich der Schöpfer der Höhle? Melissa stand derweil neben ihm und bewunderte die Höhle. Soviel gab es noch zu sehen und zu bestaunen. Da waren die Felsen, die links von ihr wie eine Sitzgruppe harter Bänke aussah. Wenn man die gut auspolsterte, würden das gute Sitzplätze abgeben und rechts von ihr waren die hängenden Steine besonders groß. Einige erstreckten sich vom Boden bis zur Decke und schienen diese zu stützen. Dahinter dampfte es aus mehreren kleinen Wasserstellen, die nicht nur miteinander verbunden waren, sondern im hinteren Teil der Höhle ihren Ursprung in einer Quelle fanden. Der Abfluss war wahrscheinlich unterirdisch, da die Wasserbecken nicht überliefen. Jetzt stutzte Melissa. Warum konnte sie das alles erkennen? Vor fünf Minuten war doch alles stockdunkel. Luzifer konnte also doch zaubern, denn die Höhle erhellte sich fast unmerklich. Jetzt erklärt sich auch sein komisches Verhalten, denn Zauberer sind von Natur aus verschroben, dachte sie bei sich. "Könnt Ihr es beschleunigen?" "Was?" "Na das Licht. Merkt Ihr es denn nicht? Es wird heller." Jetzt sah auch Luzifer die Veränderung der Lichtverhältnisse.
Er konnte also doch zaubern. Plötzlich kam ihm ein Gedanke, was, wenn er schon von Anfang an zaubern konnte? Was, wenn er die Fähigkeit an sich nur nicht entdeckte, weil er sie nicht benötigte? Das würde aber bedeuten, das alle Engel im Himmel die Fähigkeit besitzen. Nun er würde es denen bestimmt nicht verraten. Eine leichte Berührung holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Mel wartete immernoch darauf, das er seinen Zauber beschleunigte. "Schneller!" befahl er barsch. Das Licht kam diesem Befehl nach. Luzifer war stolz auf sich. "Darf ich dir unser neues Heim vorstellen. Ich gedenke mich nämlich hier festzusetzen." Luzifer verbeugte sich vor Melissa und lud sie mit einer Geste ein, die Höhle zu besichtigen. Während Melissa begeistert die Höhle erkundete und schon Pläne zur Verbesserung schmiedete, saß Luzifer auf den wie Bänke geformten Steine. Er konnte also zaubern. Er wurde stärker sobald jemand sich ihm mit Leib und Seele verschwor und seine übermenschlichen Kräfte hatte er behalten. Außerdem musste er sich für das Hinauswerfen aus dem Himmel rächen. Wie konnte er seine Fähigkeiten benutzen um an sein Ziel zu kommen?
Zudem brauchte er mehr Untergebene und deren Seelen. Die Frage war, welche Sorte von Seelen er einfangen musste um Gott am meisten zu ärgern. Die der Toten oder die der Lebenden? Die Lebenden konnten wählen, doch es würden immer solche wie Melissa geben. Die Lösung ist die, dass er von beiden Sorten Seelen benötigte und er hatte auch schon eine Idee wie er an sie käme...

© 2000 by Diana Eschler